Die Eisenbahngeschichte von Ahrdorf

Die Strecke Dümpelfeld - Ahrdorf - Hillesheim - Lissendorf - Jünkerath

Die sogenannte "Ahrstrecke" war eine zweigleisig ausgebaute Eisenbahnlinie, die von 1909 bis 1912 gebaut und am 1. Juli 1912 eröffnet wurde. In den Kursbüchern findet man sie meistens unter der Bezeichnung Adenau - Jünkerath, weil der fahrplanmäßige Betrieb sich in der meisten Zeit zwischen diesen beiden Orten abspielte. Beim Bau hieß sie "Dümpelfeld - Lissendorf", weil es den Streckenabschnitt von Dümpelfeld bis Adenau bereits gab und für den Abschnitt Lissendorf - Jünkerath eine eigene Planung gemacht wurde. Die Strecke gehörte zu dem zuvor bereits beschriebenen strategischen Eisenbahnnetz, was auch den Charakter dieser wunderschönen, in die Eifeler Landschaft eingebetteten Bahnlinie prägte. Die militärischen Anforderungen bestimmten den Verlauf der Trasse und auch die Infrastruktur. Das bedeutete zum Beispiel:


  • es gab keine schienengleichen Kreuzungen von Straßen oder Eisenbahnstrecken. Flüsse, Feldwege oder Straßen wurden unter der Strecke hindurch oder über die Strecke geführt,
  • die maximale Steigung betrug 1:100,
  • der kleinste Kurvenradius war 300 Meter,
  • es gab in kurzen Abständen (Dümpelfeld - Ahrdorf - Hillesheim - Jünkerath) Anlagen zur Versorgung der Dampflokomotiven mit Wasser und Kohlen,
  • es wurden Verladeeinrichtungen gebaut, die weit über die Bedürfnisse des zivilen Verkehrs hinausgingen, beispielsweise 250 m lange Verladerampen in Ahrdorf und Hillesheim


Diese Anfoderungen machten unter anderem sechs Tunnelbauwerke und mehr als 30 Brückenbauwerke erforderlich und damit die Ahrstrecke zu einem anspruchsvollen Bauprojekt.

Bahnhöfe und Tunnelbauwerke


Die Bahnhöfe jener Zeit waren in Kategorien eingeteilt. Dümpelfeld, Ahrdorf, Hillesheim und Lissendorf bekamen aufgrund ihrer Funktion als Abzweigbahnhöfe die Klasse 3 zugewiesen, die Unterwegsbahnhöfe die Klasse 4.


Kilometer 0,0: Bahnhof Dümpelfeld


Der alte Bahnhof Dümpelfeld, der 1888 im Rahmen des Baus der Bahnstrecke Remagen - Adenau eröffnet worden war, wurde aufgegeben und an anderer Stelle, fünf Meter höher, ein neuer Bahnhof gebaut. In Dümpelfeld wurde ein Gleisdreieck angelegt. Dadurch konnten alle Züge in alle Richtungen weiterfahren, ohne die Lokomotive umsetzen zu müssen.


Kilometer 0,8: Block Insul


Der Block Insul war Teil des Zugsicherungssystems für das Gleisdreieck. Die Gegenstücke befanden sich im Bahnhof Dümpelfeld bzw. im Block Liers.


Kilometer 2,502 - 2,593: Insuler Tunnel


Der 91 m lange Tunnel ist heute Teil des Fahrradweges entlang der Ahr.


Kilometer 3,930 - 4,072: Schulder Tunnel


Der Schulder Tunnel prägt auch heute noch das Ortsbild von Schuld. Nach der Hochwasserkatastrophe 2021 und den damit verbundenen Schäden an anderen Straßen wurde der Tunnel Teil der Umleitungsstraße, über die man von Schuld nach Insul gelangen kann.


Kilometer 4,690: Bahnhof Schuld


Der Bahnhof Schuld wurde erst mit Verspätung eröffnet. Das lag daran, dass die Schulder Bürger nicht - wie von der damaligen Königlichen Eisenbahndirektion Köln gefordert - die Brücke für die Bahnhofszufahrt auf eigene Kosten herstellen wollte. Die Bahn stellte sich stur und baute zunächst keinen Bahnhof. Der Gemeinderat gab schließlich nach, stellte die Zufahrt her und im Fahrplan vom 1. Mai 1913 findet man auch den Bahnhof Schuld.


Kilometer 5,080 - 5,356: Ruppenberg-Tunnel


Kilometer 7,586 - 7,737: Schellenberg-Tunnel und Fuchshofener Viadukt


Das Fuchshofener Viadukt ist eines der zahlreichen Brückenbauwerke der Strecke Dümpelfeld - Lissendorf. Nach den Zerstörungen, die im Zweiten Weltkrieg durch alliierte Bomben und letztendlich durch Sprengungen der Deutschen Wehrmacht angerichtet worden waren, hat man den zerstörten Teil nur noch eingeisig wieder aufgebaut. Nach Einstellung der Strecke wurde das Bauwerk zum Glück nicht abgerissen, sodass man auch heute noch ein wunderschönes Zeugnis der Ahrstrecke ist.


Kilometer 8,210: Bahnhof Fuchshofen


Während man im Bahnhof Schuld ein typisches Empfangsgebäude für einen Bahnhof 4. Klasse vorfindet, hat man es in Fuchshofen bei einem eingeschossigen Bauwerk in Holzbauweise belassen.


Kilometer 11,730: Bahnhof Antweiler (Ahr)


Auch der Bahnhof Antweiler verfügte nur über ein eingeschossiges Gebäude, allerdings in schöner Fachwerkoptik. In Antweiler befand sich bis zur Einstellung des Verkehrs eine Bahnmeisterei, die für die Instandhaltung der Strecke zuständig war. Das imposante Gebäude der Bahnmeisterei kann man heute noch in der Bahnhofstraße in Anteiler bewundern.


Kilometer 14,360: Bahnhof Müsch


Auch in Müsch steht ein typisches Empfangsgebäude jener Zeit. Heute kann man dort seine Ferien verbringen


Kilometer 14,762 - 15,051: Müscher Tunnel


Kilometer 16,852 - 17,072: Dorseler Tunnel


Kilometer 18,074: Gleisanschluss der Basaltwerke Linz AG


Dieser Gleisanschluss befand sich auf Ahrdorfer Gebiet. Deshalb wird darauf in einem gesonderten Kapitel eingegangen.


Kilometer 18,350: Bahnhof Ahrdorf (Ahr)


Siehe gesondertes Kapitel.


Kilometer 22,500: Bahnhof Ahütte


Am Bahnhof Ahütte wurden über viele Jahre die Produkte der dort ansässigen Zement- und Kalkwerke verladen und in alle Welt transportiert.


Kilometer 22,740: Gleisanschluss der Firma Müller Kalk


Kilometer 23,300: Gleisanschluss der Firma WOTAN Zement


Kilometer 26,230: Bahnhof Niederehe


Kilometer 29,410: Bahnhof Kerpen (Kr. Daun)


Kilometer 29,600: Gleisanschluss der Firma Tuffstein- und Basaltwerke AG


Kilometer 33,630: Bahnhof Walsdorf


Kilometer 37,700: Bahnhof Hillesheim (Eifel)


Der Bahnhof Hillesheim (Eifel) war ein Bahnhof 3. Klasse. Hier zweigte von 1912 bis 1945 die zweigleisige Verbindungsbahn nach Gerolstein ab, die nach den durch die Deutsche Wehrmacht Anfang März 1945 angerichteten Zerstörungen nicht wieder aufgebaut wurde.


Kilometer 38,000: Gleisanschluss der Firma Hutter


Kilometer 43,840: Bahnhof Lissendorf


Lissendorf liegt an der Eifelstrecke Köln - Trier und hatte bereits einen Bahnhof, als die Bahnstrecke gebaut wurde. Der alte Bahnhof wurde aufgelassen und ein neuer gebaut. Die Gleisanlagen auf Bahnhof Lissendorf wurden beim Bau der Ahrstrecke deutlich ausgebaut.


Kilometer 47,730: Bahnhof Jünkerath


Im Zuge der Bauarbeiten an den Strecken Dümpelfeld - Lissendorf - Jünkerath und Jünkerath - Weywertz wurde der Bahnhof Jünkerath massiv ausgebaut und entwickelte sich zu dem größten Eisenbahnknotenpunkt der Eifel.


Zu allen Bahnhöfen, Tunnel- und Brückenbauwerken findet man in dem oben genannten Buch zahlreiche Fotos, Pläne und weitere Informationen.

Der Bahnbau


Obwohl bereits von der preußischen Eisenbahn im Jahre 1889 Vorarbeiten für die Erbauung einer Bahn untergeordneter Bedeutung von der Eifelbahn an die Ahr aufgenommen worden waren, wurde erst im Rahmen militärstrategischer Überlegungen 1906 mit den ersten Vermessungen für die Strecke Dümpelfeld – Ahrdorf – Hillesheim – Lissendorf – Jünkerath – St. Vith begonnen, eine Zweigstrecke sollte Hillesheim mit Gerolstein verbinden. Durch die neue Bahn sollte ein besserer Anschluß des Truppenübungsplatzes Elsenborn erreicht werden. Darüber hinaus wurde der Schlieffenplan aufgestellt, der im Falle eines Krieges mit Frankreich einen Aufmarsch und Angriff durch das neutrale Belgien vorsah. Der deutsche Generalstab ging davon aus, dass Frankreich im Kriegsfalle durch Belgien und die Niederlande nach den deutschen Nordseehäfen streben werde. Um dem zu begegnen, sah man das Heil im Angriff. Deshalb musste so gebaut werden, dass ein möglichst problemloser Aufmarsch möglich war.


Die erste Vermessung und ungefähre Festlegung der Richtung fand 1906 statt. Ende 1906 wurden im Rahmen einer Sitzung, an der Vertreter des Reiches (Reichseisenbahnamt, Reichsschatzamt, Auswärtiges Amt, Militärverwaltung) und des Staates Preußen (Ministerium der öffentlichen Arbeiten, Finanzministerium) teilnahmen, die militärischen Gründe für diesen Ausbau nochmals vorgelegt und im Prinzip von allen Beteiligten akzeptiert. Es ging nur noch um die Verteilung der Kosten. Deshalb stellten die Vertreter Preußens die zu erwartende Ertragslage naturgemäß besonders schlecht dar, um den eigenen Beitrag zu diesen Bahnen möglichst niedrig zu halten. Immerhin ist dem Sitzungsprotokoll zu entnehmen, dass die Eisenbahnverwaltung auf jeden Fall eine eingleisige Nebenbahn Daun – Rengen – Adenau – Dümpelfeld – Ahrdorf – Blankenheim gebaut hätte. So war man bereit, den Betrag, den man dafür hätte aufwenden müssen, voll für eine Nebenbahn in der vorgeschlagenen Relation zu verwenden. Schließlich einigte man sich darauf, dass das Reich 80% der Mehrkosten und Preußen den Rest aufzubringen habe. Es wurde damit gerechnet, dass sich die betroffenen Gemeinden nicht am Grunderwerb, vor allem nicht an den Kosten für den zweigleisigen Ausbau, beteiligen würden. Um nicht in die Gefahr von Verzögerungen bei der Bauausführung zu geraten, stellte man deshalb für alle Fälle Mittel zur Verfügung.


Die Vertreter Preußens wiesen ausdrücklich darauf hin, dass eine Entlastung der Rhein-Mosellinie über die Ahrtal / Eifelbahn auf jeden Fall auszuschließen sei. Man war sich zwar der Überlastung der Moselstrecke bewusst, sah jedoch eine Lösung eher in deren viergleisigem Ausbau als im Ausbau der Ahrstrecken.


Die genauen Vorarbeiten wurden am 01. April 1907 aufgenommen und wurden ausgeführt von dem technischen Büro Karl Sternsdorff in Mainz. Unmittelbar daran fand die Festlegung der Achse und die Aufnahme der Querprofile durch die Eisenbahndirektion Köln statt. Im Sommer 1908 wurden diese Vermessungen mit dem Teilstück Lissendorf–Jünkerath beendigt. Gleichzeitig wurden die Landvermessungen vorgenommen und die Festlegung der Flächen, die an den Eisenbahnfiskus übergingen. Der Grunderwerb ging relativ leicht vonstatten, da recht großzügige Preise gezahlt wurden. Pro Ar Ackerland und Wiesen wurden je nach Lage 40 bis 210 RM gezahlt. In einzelnen Fällen kam es zu Prozessen, die alle günstig für die Eigentümer verliefen. Auch einige Häuser standen im Gelände des Bahnkörpers, für die recht hohe Preise gezahlt wurden. Der Bau begann am 01. April 1909.


In Antweiler, als dem Mittelpunkt der neuen Strecke wurde ein Baubüro eingerichtet. Die Firma Wilhelm Bruch, Kanalbau AG, Berlin, erhielt den Zuschlag für das erste Baulos von Dümpelfeld bis Schuld (5,6 km) und begann am 15. August 1909 mit der Anlage einer Feldbahn. Ursprünglich sollte dieser Abschnitt bis zum 01. Mai 1910 fertiggestellt sein, aber es gab unerwartete Schwierigkeiten. Nach einem starken Regen im November 1909 wurden die zu leicht gebauten Behelfsbrücken über die Ahr weggerissen. Ein weiteres Hochwasser am 13. Juni 1910 kostete 52 Personen das Leben. Dazu richtete es beträchtlichen Schaden vor allem an dem im Bau befindlichen Linien an und verzögerte die Fertigstellung weiter. Starke Gewitter in der Gegend von Adenau, Antweiler und Müsch hatten die Flut ausgelöst. Die leichten Behelfsbrücken über die Ahr wurden weggerissen, das Bauholz staute sich an den festen Eisenbahn- und Straßenbrücken und führte so zu einem zusätzlichen Ansteigen des Wassers. Diesem Druck waren einige der dadurch entstandenen “Dämme” nicht gewachsen. Brücken brachen, und es kam zu einer Flutwelle. Fast sämtliches Baumaterial zwischen Antweiler und Dümpelfeld wurde weggeschwemmt, die Orte Müsch und Schuld teilweise zerstört, und im Nachhinein kam es zu Plünderungen. Am 16. Juni wurden die Arbeiten wieder aufgenommen. Durch die Geschehnisse verzögerte sich der Bau der neuen Strecke erheblich.


In der Ahrdorfer Schulchronik wird am 20.06.1910 zu dem Unglück folgendes berichtet:

Eingestürzte Brücke bei Schuld

Ein schwerer Schicksalsschlag hat das herrliche Ahrtal in der Nacht vom 13. auf den 14. Juni getroffen. An der oberen Ahr ging ein fürchterlicher Wolkenbruch nieder. Die durch das Unwetter und das dadurch herbeigeführte Hochwasser verursachten Verwüstungen spotten jeder Beschreibung. Das Ahrtal glich am vorigen Montag bis hinauf zur Mündung unterhalb Ahrdorf einem See. Telephon und Telegraph sind zerstört. Die schöne Ahrstraße ist dutzendmale auf weite Strecken tief aufgewühlt, ausgewaschen, fast unpassierbar. Stellenweise ist sie ganz verschwunden. Felsen im Straßenkörper hat das Wasser sogar gesprengt. Der Fahrverkehr wird auf Wochen im Ahrtal unmöglich sein. Die alte Ahrbahn, sowie der neue Bahnbau sind auch gründlich mitgenommen worden. Dämme, Brücken und Unterkunftshäuser sind zerstört worden. Der neue Bahnbau war Bundesgenosse des wütenden Wassers. Dieses riß die Brücken und die Kantinen zusammen, entführte die mächtigen Bauhölzer, die Kieswagen und setzte sie vor den Brücken, in den Talengen und vor den Dörfern wieder an. Dann stieg das Wasser immer höher und mit gewaltigem Druck sprengte es die Brücken, stürzte in die Dörfer und über die Fluren. Die an der Bahnlinie gelegenen Baubureaus und Kantinen sind mit dem ganzen Inhalte weggeschwemmt. 


Man schätzt die Zahl der Toten über 80. Aber mit den Leichenopfern hat sich das Unwetter nicht begnügt. Es entführte den Wiesen, Feldern und Gärten den Mutterboden und überschüttete sie fußhoch mit Steingeröll, verwüstete Gras, Frucht, Kartoffeln und den Boden auf Jahre. Selbst unzählige Obstbäume im schönen Ahrwiesental entwurzelte es. Dann stürzten sich die Wasser auf blühende Dörfer, setzten sie meterhoch unter Wasser, vertrieben Menschen und Vieh aus ihrem Heim mitten in der Nacht. Von Adenau bis Dümpelfeld, von der Ahrmündung bis Neuenahr-Heimersheim erblickt man nur ein entsetzliches Trümmerfeld. Fast jedes Dorf in dem gesegneten Ahrtal hat eine verlorene Brücke zu beklagen. Auch die Ahrbrücke und die uralte Brücke bei Altenahr, die jahrhundertelang den Stürmen getrotzt hat, sind zusammengestürzt. Am 15. Juni rückte Militär mit Automobilen herbei, um den Leuten Nahrungsmittel und Hilfe zu bringen. Die Pioniere arbeiteten an den Brücken, schlugen neue über den immer noch reißenden Strom, stützten wankende und sinkende ab. Bis unter die Arme standen die wackeren Soldaten unter Wasser und mühten sich ab, vorläufig wenigstens Stege für den notwendigsten Verkehr herzustellen. Dem Schreckensjahr 1804 werden die Bewohner der Ahr das Kometenjahr 1910 angliedern. Davon werden noch Kinder und Kindeskinder erzählen.


Als Folge der Naturkatastrophe war die Firma Bruch gezwungen, Konkurs anzumelden. Hierzu beigetragen haben vielleicht auch die unerwartet großen Hang- und Bergrutschungen, die erst durch umfangreiche Flußregulierungen und Entwässerungsstollen aufgehalten werden konnten. Im Bereich des Bahnhofs Schuld mussten die Pläne geändert werden, da man statt, wie vermutet auf Fels, auf Lehm und Sand traf. Deshalb waren flachere Böschungswinkel und damit verbunden größere Erdbewegungen auszuführen als geplant. Die Fertigstellung dieses Bauloses wurde der Firma Lenz & Co, Berlin, übertragen. Ähnliche Schwierigkeiten gab es auch in den anderen Baulosen.


Am Bahnhof Antweiler rutschte ein angeschnittener Berg mit einer Geschwindigkeit von 3m/Jahr ab, ehe er durch diese Maßnahmen zum Stillstand kam. Ein unerwartetes Hindernis bildete der dolomitartige Kalkstein des mittleren Devon bei Hillesheim, da er wegen seiner großen Härte nur unter Schwierigkeiten zu sprengen war.


Was die Baumaßnahmen rund um Ahrdorf betrifft, sei nachfolgend nochmals ein Auszug aus der Ahrdorfer Schulchronik vom 01.03.1910 aufgeführt, der auch einen Einblick in die sozialen Veränderungen gibt, die mit dem Eisenbahnbau einhergingen und die nicht nur positiver Art waren:


Der Bau der Bahnstrecke Dümpelfeld - Hillesheim - Lissendorf, der schon jahrelang geplant war, hat seit einigen Monaten feste Gestalt angenommen. Nachdem der Unternehmer Berger am 10. Oktober v. J. mit der Strecke Antweiler - Ahrdorf begann, wurde heute auch der Bau der Strecke Ahrdorf - Kerpen durch den Unternehmer Kranz in Angriff genommen. Außer einheimischen Arbeitern sind Leute aus aller Herren Länder beim Bahnbau beschäftigt: Italiener, Böhmen, Kroaten, Griechen, Tiroler usw. Wie in allen Orten, die an oder in der Nähe der im Bau begriffenen Bahnstrecke liegen, so herrscht jetzt auch in dem sonst so stillen Ahrdorf ein bewegtes Leben. Um Raum für den Bahnhof und Material für den Bahndamm zu gewinnen, muß oberhalb der Ahrbrücke buchstäblich ein Berg versetzt werden. Tag und Nacht ist zu diesem Zwecke eine große Baggermaschine in Tätigkeit und drei Lokomotiven sind mit der Beförderung der geschaufelten Erde beschäftigt. Der Bahnbau ist für die Dorfbevölkerung eine reiche Einnahmequelle.


Abgesehen davon, daß die Arbeitskräfte gut bezahlt werden (Tagelöhner erhalten zwischen 3 - 4 Mark pro Tag), erhalten Leute, die Miet-, Schlaf- oder Kostgänger halten können, ein Heidengeld. Alte, verfallene Häuser, die kaum noch einer menschlichen Wohnung ähnlich sehen, bringen pro Jahr 360 M Miete ein. Den Wirten und Geschäftsleuten regnet das Geld geradezu in den Schoß, da viele Bahnarbeiter, besonders Italiener und noch mehr die sogenannten “Monarchen” “von der Hand in den Mund” leben, wie man zu sagen pflegt. Die Sache hat freilich auch ihre Schattenseiten. Mit dem vielen Geld wird auch Gift unter die Landbevölkerung getragen. Das so leicht verdiente Geld wird auch eben so leicht wieder ausgegeben, da die Putz- und Genußsucht erwacht, und das Beispiel der leichtlebigen “Eisenbähner”, die mit wenigen Ausnahmen keinen Gott und kein Gebot mehr zu haben scheinen, ist keineswegs geeignet, den religiösen und kirchlichen Sinn zu beleben und die Sittlichkeit des Volkes zu heben.


Wie dem auch sei: die gesamte Strecke von Dümpelfeld bis St. Vith sowie die Abzweigung von Hillesheim nach Gerolstein wurden am 01. Juli 1912 dem Verkehr übergeben. Die Eröffnungsfeierlichkeiten sind im Bonner Generalanzeiger beschrieben:

Hillesheim, 30. Juni. Die neuen Bahnen in der Eifel wurden am heutigen Sonntag, also am Tag vor ihrer Inbetriebnahme, von zahlreichen geladenen Gästen mit einem Sonderzug von Remagen bis Weywertz befahren, der an all den neuen Bahnhöfen durch die zahlreich versammelte Bevölkerung und durch einheimische Musikkapellen festlich begrüßt wurde. In Hillesheim, wo die Bürgermeisterei zu einem Festessen eingeladen hatte, waren schon zwei andere Sonderzüge aus der Richtung von Gerolstein und von Weywertz her eingetroffen und ein stattlicher Festzug, bei dem auch die letzte begränzte Postkutsche nicht fehlte, bewegte sich dem Festlokal zu. Während des Mahles hob der Eisenbahn-Direktionspräsident Martini aus Köln die Bedeutung des unter außergewöhnlichen Schwierigkeiten nunmehr glücklich vollendeten Werkes hervor und verlieh dem Wunsche Ausdruck, daß die großen, vom Staate aufgewandten Summen der Eifel und ihren Gemeinden zu Heil und zu Segen gereichen mögen. Er schloß mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf den Kaiser, den Förderer des Verkehrs und des technischen Fortschritts. Nach beendetem Festmahle fuhr der Sonderzug weiter über Jünkerath nach Büllingen, wo der Kreis Malmedy die Festgäste am Bahnhof mit Erfrischungen bewillkommnete, und brachte den Regierungspräsidenten von Aachen und die Herren von der Eisenbahndirektion Köln über Weywertz nach Aachen, während die übrigen Gäste mit dem Sonderzug nach ihren Wohnorten in der Eifel zurückgefahren wurden.


Wie vom Kriegsminister gefordert, war die Strecke zweigleisig angelegt. Der Abschnitt Lissendorf – Jünkerath wurde viergleisig (je zwei Gleise für die Eifelbahn und die Strecke von Dümpelfeld).


Auf der ca. 90 km langen Strecke Remagen – Lissendorf mußten etwa 90 Millionen m³ Boden bewegt, zwei eingleisige Tunnel und neun zweigleisige Tunnel angelegt und insgesamt 175 Eisenbahn- bzw. Straßenbrücken errichtet oder umgebaut werden. Darüber hinaus wurden zehn Bahnhöfe neu angelegt und 17 erweitert. Das Bemerkenswerte an den neuen Strecken war die Tatsache, daß es keine niveaugleichen Kreuzungen gab.


Nähere Angaben über den Bauumfang sind für den Abschnitt Schuld – Ahrdorf bekannt:


Die Gesamtkosten für den Bau der Strecke von Dümpelfeld über Jünkerath nach Weywertz, von Gerolstein nach Hillesheim und für das zweite Gleis von Remagen nach Dümpelfeld betrugen 54 Millionen Mark, von denen das Deutsche Reich 24 Millionen Mark übernahm. Die 1907 beantragten und vom Abgeordnetenhaus bewilligten Summen für die Teilstrecken Dümpelfeld – Lissendorf und Gerolstein – Hillesheim beliefen sich auf 13 243 000 bzw. 5 200 000 Mark. Der Ausbau der Strecke Remagen – Dümpelfeld war mit ca. 6,5 Millionen Mark veranschlagt. Neben den Kosten für den Streckenbau waren in diesen Summen auch die Kosten der Erweiterung des Bahnhofs Gerolstein enthalten.

Der Betrieb


Nur gut zwei Jahre nach Eröffnung der Bahnstrecke begann der 1. Weltkrieg und damit die erste Belastungsprobe. Da im Westen während des gesamten Krieges erbittert gekämpft wurde, ist davon auszugehen, dass auch und insbesondere auf der Strecke Dümpelfeld - Jünkerath durchgängig Nachschub für die Truppen transportiert wurde. In den ersten Monaten des Jahres 1918 verkehrten im Schnitt täglich 125 Nachschubzüge nach Westen.


Nach Kriegsende nahm die Bedeutung der Bahnlinie deutlich ab. Deshalb wurde die Strecke schon bald von der - neu gegründeten - Deutschen Reichsbahn im so genannten vereinfachten Nebenbahndienst geführt. Bei dem vereinfachten Nebenbahndienst wird die Strecke in einen oder mehrere Abschnitte, die "Zugleitstrecken" eingeteilt. Auf jeder Zugleitstrecke wird der Zugverkehr durch den "Zugleiter" des "Zugleitbahnhofs" geregelt. Die anderen Bahnhöfe der Zugleitstrecke heißen "Zuglaufstellen". Diese können mit einem Betriebsbeamten oder einem Agenten besetzt oder unbesetzt sein. Nach meinen Informationen war Ahrdorf zu dieser Zeit Zugleitbahnhof - wahrscheinlich wegen der zentralen Lage bzw. des Abzweigs der Strecke nach Blankenheim (Wald).


Erst der Bau des Westwalls vor dem 2. Weltkrieg führte wieder zu einer starken Auslastung der Ahrtalbahnen. Es wurden immer mehr Bauzüge benötigt, welche die auf den vereinfachten Nebenbahnbetrieb umgestellten Strecken nicht mehr verkrafteten. Allein im Jahre 1938 wurden dafür 550.000 Wagen gestellt und 10 Millionen Tonnen Baustoffe befördert. So wurden im Verlauf des Jahres 1938 alle baulichen Maßnahmen zur Vereinfachung des Betriebes rückgängig gemacht und ab Oktober waren alle Bahnhöfe wieder durchgehend besetzt.


Am 1. September 1939 begann der 2. Weltkrieg. Mit Beginn des Feldzuges gegen Frankreich im Mai 1940 begann erneut eine große Belastungsprobe für die Bahnstrecke. Tag und Nacht rollten die Nachschubzüge gegen Westen. Mit zunehmender Kriegsdauer kam der Krieg auch in die Heimat... und die Eisenbahn wurde mehr und mehr zum Ziel alliierter Luftangriffe, die schließlich im Laufe des Jahres 1944 ein unerträgliches Ausmaß annahmen. Dir Durchführung der Züge gelang nur unter größten Schwierigkeiten. Tagsüber wurden die Transporte, ebenso wie Bahnhofs-, Betriebswerk- und Streckenanlagen durch Jagdbomber und Tiefflieger beschossen. Reparaturen konnten nur bei schlechtem Flugwetter oder nachts durchgeführt werden. Munitions- und Treibstoffzüge, die am meisten gefährdet waren und Gefahr brachten, wurden bei Tage möglichst in Tunnel abgestellt und bei Nacht weiterbefördert.


Vor diesem Hintergrund begann am 16.12.1944 die Ardennen-Offensive - das letzte große Aufbäumen der deutschen Wehrmacht.. und wieder rollten die Militärzüge über die Eifelstrecken. Zu Beginn der Offensive machten die deutschen Truppen tatsächlich Geländegewinne aber als das Wetter wieder besser wurde, bombardierten die Alliierten fast pausenlos die Eifelstrecken und zerstörten diese derart, dass keine Transporte mehr durchzubringen waren. Die Ardennenoffensive scheiterte Anfang Januar 1945.


Am 20. Januar 1945 wurden die Jünkerather Dienststellen an die so genannten "feldgrauen Eisenbahner" der Wehrmacht übergeben, am 21. Februar auch das Bahnbetriebswerk Kreuzberg. Im Februar 1945 wurden die letzten betriebsfähigen Jünkerather Lokomotiven über die Ahrstrecke nach Koblen in Sicherheit gebracht. Unmittelbar danach begannen die Vorbereitungen für die Sprengungen. Am 3. März 1945 schließlich wurden viele Brücken, Tunnels, Gleisanlagen und Stellwerke von deutschen Soldaten in die Luft gesprengt.


Nach dem Ende des 2. Weltkrieges änderte sich die Struktur der Ahrtalbahnen zutiefst. Als Reparationsleistung für in Frankreich abgebaute Strecken mussten nicht nur an der Eifelbahn über weite Strecken das zweite Gleis abgebaut werden, sondern auch an der Ahr wurde von Walporzheim bis Walsdorf fast 52 km Gleise abgebaut. Damit mussten die 8 zerstörten Brücken auch nur noch einspurig wieder aufgebaut werden. Bis 1948 waren diese Arbeiten zumindest behelfsmäßig abgeschlossen, so dass ein durchgehender Betrieb wieder möglich war.


Von der Deutschen Bundesbahn wurde die Strecke Dümpelfeld – Lissendorf seit den 1950er Jahren wieder vereinfacht betrieben. Aus einem Buchfahrplan des Jahres 1956 geht hervor, dass Ahrdorf auch diesmal Zugleitbahnhof für die Strecke von Schuld bis Hillesheim war. Doch das sollte sich bald ändern. 1959 war Ahrdorf nur noch eine Zuglaufstelle; Zugleitbahnhof war Lissendorf.


Aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte war der Betrieb weiterhin nur gering. Somit ereilte auch diese Nebenbahn das übliche Schicksal: zuerst wurde der Oberbau mangels Rentabilität sanierungsreif gefahren, der Fahrplan ausgedünnt, die Fahrzeiten aufgrund der Langsamfahrstellen verlängert und endgültig der Verkehr auf die Straße verlagert. Zum Sommer 1973 betraf dies den Personenverkehr, im Herbst den Gütertransport. Im Herbst und Winter 1975 / 76 wurde die Strecke dann von Insul aus bis Hillesheim abgebaut. Der Anschluss von Hillesheim an die Eifelbahn bestand noch bis Ende 1982, während der Gleisrest von Dümpelfeld nach Insul bereits 1979 entfernt wurde.