Die Eisenbahngeschichte von Ahrdorf

Einleitung

Wer es nicht weiß, kann heute kaum noch etwas davon erkennen. Mehr als 60 Jahre Ahrdorfer Eisenbahngeschichte sind fast ganz aus dem Blickfeld und damit auch aus der Erinnerung der Menschen verschwunden.


Als Lok 82 020 am 21.09.1969 mit einem Sonderzug am Bahnhof Ahrdorf (Ahr) Station machte, war das Ende der Bahnstrecken um Ahrdorf längst besiegelt. Heute ist das Bahnhofsgebäude (fast) der einzige Zeuge dessen, was einst mit großen Hoffnungen begann.


Der nachfolgende Bericht ist eine kleine Zeitreise durch die Ahrdorfer Eisenbahngeschichte. Wer mehr erfahren will, dem empfehle ich zwei Bücher, die bei den Eisenbahnfreunden Jünkerath erschienen sind. Inhaltsverzeichnis und Leseproben zu den Büchern finden sich auf der Internetseite der Eisenbahnfreunde. Um die Seite aufzurufen, klicken Sie bitte auf das jeweilige Buch

Die Entstehungsgeschichte der Eisenbahnen rund um Ahrdorf bis 1888

Nachdem 1825 in England das Zeitalter der Eisenbahn begann, dauert es noch 10 Jahre, bis am 7. Dezember 1835 die erste deutsche Eisenbahnstrecke eröffnet wird. Damals fährt die berühmte Lokomotive mit dem Namen "Adler" von Nürnberg nach Fürth. Die nur gut sechs Kilometer lange Bahnlinie war privatwirtschaftlich gebaut worden, die Lokomotive aus England importiert und sogar der Lokführer war ein Engländer.


Die Eifel gehört seit 1815 zu Preußen und wird aufgrund ihrer Armut und der widrigen Witterungsbedingungen "das Armenhaus Preußens" oder auch "Preußisch Sibirien" genannt.


Die Preußen haben einiges unternommen, um der Armut in der Eifel abzuhelfen. Es werden Wälder aufgeforstet, Straßen gebaut und vieles mehr. Man kümmert sich auch um die Bildung und führt die Schulpflicht in den preußischen Rheinlanden ein. Das alles kann nicht verhindern, dass es Mitte des 19. Jahrhunderts eine Auswanderungswelle gibt. Tausende Menschen aus der Eifel verkaufen ihr bescheidenes Hab und Gut und machen sich auf den Weg nach Amerika und in andere Staaten, um dort ihr Glück zu suchen. Allein in den Jahren von 1840 bis 1871 verlassen etwa 60.000 Menschen die Eifel. Das Eisenbahnwesen steckt in Deutschland damals noch in den Kinderschuhen und ist zudem privatwirtschaftlich organisiert. Wer also eine Eisenbahn baut, erwartet Profit und damit kann die Eifel in jener Zeit kaum dienen. Karge Böden und wenig Industrie lassen keinen ausreichenden Ertrag erwarten. 


Im Schleidener Tal, wo es Montanindustrie gibt, versucht man vergeblich,  eine Eisenbahnanbindung zu bekommen, sodass die Industrie schließlich ins Ruhrgebiet abwandert, wo die Infrastruktur besser ist. Und so geht der mit der Industrialisierung verbundene Auf- und Umbruch weitgehend an der Eifel vorbei. Der Zug ist im wahrsten Sinne des Wortes abgefahren.


Die Eifelstrecke Köln - Trier wird gebaut


Rund um die Eifel herum entstehen Bahnlinien. 1841 wird die Strecke Köln - Aachen fertiggestellt, die dann 1843 bis nach Herbesthal mit Anschluss an das belgische Eisenbahnnetz verlängert wird. Am Ostrand der Eifel entsteht die heute als "linke Rheinstrecke" bezeichnete Eisenbahnlinie zwischen Köln und Koblenz. Mit jeder neuen Bahnlinie außerhalb der Eifel vergrößert sich der Rückstand der Eifel in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht.


Doch es tut sich etwas: Die Fertigstellung der Strecke von Köln über Düren nach Aachen lässt Pläne für eine Eisenbahnverbindung von Düren nach Süden in Richtung Euskirchen bzw. Schleiden entstehen. Nach langem Hin und Her wird die sogenannte Bördebahn von Düren nach Euskirchen gebaut und am 6. Oktober 1864 eingeweiht, am 27. Juni 1865 die Weiterführung von Euskirchen nach Mechernich und am 1. November 1867 schließlich von Mechernich nach Kall.

Am 12. November 1866 erteilt die preußische Regierung die Konzession für den Weiterbau von Kall nach Trier. Diese Strecke wird in mehreren Abschnitten gebaut. Am 19. Juni 1868 kann der Abschnitt Kall - Sötenich dem Verkehr übergeben werden, am 15. November 1870 das knapp 50 km lange Teilstück zwischen Sötenich und Gerolstein. Während des Bahnbaus geschieht etwas, was die Entstehung der späteren Eisenbahnstrecken in der Eifel stark beeinflussen sollte: am 19. Juli 1870 erklärt der französische Kaiser Napoleon III. dem Königreich Preußen Krieg. Diese Auseinandersetzung, in der erstmalig in größerem Maße die Eisenbahn eine Rolle spielt, endet am 10. Mai 1871 mit der Niederlage Frankreichs, das nicht nur hohe Reparationen zahlen, sondern auch Elsass-Lothringen an das mit Wirkung zum 1. Januar 1871 gegründete Deutsche Reich abgeben muss. Als am 15. Juni 1871 der letzte Abschnitt der Eifelbahn zwischen Gerolstein und Trier West, dem heutigen Trier Hbf, dem Verkehr übergeben wird, sind es Gefangenentransporte, die als erstes über die neuen Gleise rollen.


Der Bau der Ahrtalbahnen von Remagen nach Adenau


Die als Ahrtalbahn bezeichnete Strecke von Remagen nach Adenau ist für die Entstehung der Strecke Ahrdorf - Blankenheim (Wald) von ebenso großer Bedeutung wie die Eifelbahn Köln - Trier. Mit der Ahrtalbahn, die mit ihrem Endpunkt Adenau ganz nah an die Orte der oberen Ahr herangerückt ist, bietet sich die Möglichkeit, über eine Verbindung der beiden Strecken nachzudenken, und damit weitere Orte der Region von dem aufstrebenden Verkehrsmittel Eisenbahn profitieren zu lassen.


Die Entstehungsgeschichte der Strecke von Remagen nach Adenau spiegelt die zuvor geschilderte Entwicklung sehr gut wider. Als sich 1862, also kurz nach der Eröffnung der Strecke Köln - Remagen - Sinzig - Andernach - Koblenz, in Ahrweiler ein Eisenbahn-Komitee zum Bau einer Bahn von Remagen oder Sinzig nach Ahrweiler gründet, stehen selbstverständlich privatwirtschaftliche Aspekte im Vordergrund. Immerhin versprechen der 1858 in Neuenahr eröffnete Badebetrieb, sowie die Weinproduktion und der aufkommende Tourismus ausreichende Einkünfte für einen möglichen privaten Eisenbahninvestor. 


Auch hier dauert es noch eine Weile, bis sich der Minister der öffentlichen Arbeiten, der für die Genehmigung von Eisenbahnen zuständig ist, am 19. Januar 1880 entscheidet, dass eine Stichbahn von Remagen nach Ahrweiler gebaut wird. Noch vor dem Baubeginn dieses Abschnittes gibt die Eisenbahndirektion den Auftrag, allgemeine Vorarbeiten für den Weiterbau bis Adenau durchzuführen. Eisenbahnkomitees gründen sich, um den Weiterbau zu forcieren. Letztendlich hat man Erfolg. Im April 1884 beginnt der Bau und bereits am 1. Dezember 1884 wird der Streckenabschnitt Ahrweiler - Altenahr eröffnet. Am 15. Juli 1888 geht das restliche, rund 17 km lange, Stück von Altenahr bis Adenau in Betrieb.


Mit der Fertigstellung der insgesamt 42,4 km langen Ahrtalbahn von Remagen nach Adenau hat die Eisenbahn nun, mehr als 50 Jahre nach Eröffnung der Ludwigsbahn von Nürnberg nach Fürth, endlich das Gebiet der oberen Ahr erreicht. 


Militärisch bedingter Ausbau des Eifeler Eisenbahnnetzes bis 1914

Nun, nachdem die Ahrtalbahn fertiggestellt ist, soll das Eisenbahnnetz in der Region natürlich, wenn es nach dem Willen der Bevölkerung geht, weiter ausgebaut werden. Insbesondere geht es darum, die Eifelstrecke Köln - Trier mit der Ahrtalbahn Remagen - Adenau zu verbinden.

Bereits im März 1888 hatte ein in Ahrdorf gebildetes Eisenbahnkomitee ebenfalls eine Petition erarbeitet. Das Bild zeigt das Deckblatt der Petition.


Die Verfasser dieses Dokumentes gehören zu den Bürgermeistereien Arenberg (das heutige Aremberg), Lommersdorf, Dollendorf und Blankenheim. Obwohl keine spezielle Streckenführung vorschlagen wird, ist zumindest im Groben klar, dass die Bahn in ihren Augen einen Verlauf nehmen soll, der dem der späteren Linie Ahrdorf - Blankenheim (Wald) entspricht. 


Weil die Eisenbahnen immer noch möglichst großen Profit abwerfen sollen, argumentiert man mit allem, was man hat:

  • Blei- und Kupfererz-Bergwerke
  • Eisenstein-Lager
  • Kalkstein-Lager
  • Basaltstein-Lager
  • Umfangreiche Waldungen
  • Bessere Erträge bei Ackerland und Wiesen durch die Möglichkeit, Kunstdünger und landwirtschaftliche Geräte kostengünstiger beziehen zu können
  • rentablere Viehzucht
  • Einnahmen durch den aufkommenden Tourismus (1888 ist der Eifelverein gegründet worden)

Außerdem argumentiert man mit der zunehmenden Armut, wenn man nicht an das Eisenbahnnetz angeschlossen werden würde.


Auch andere Orte erarbeiten Petitionen und Streckenvorschläge und argumentieren natürlich, warum denn ihre Orte unbedingt bei neuen Strecken berücksichtigt werden sollten. 


Die nachfolgende Karte aus dem Heimatkalender des Kreises Schleiden zeigt die ausgeführten und vorgeschlagenen Strecken im Bereich der oberen Ahr. 


Erfolg haben die Petitionen freilich nicht. Den bringt erst der sogenannte Schlieffen-Plan. Generalfeldmarschall Alfred Graf von Schlieffen wird 1891 Chef des preußischen Generalstabs. Aufgrund der zunehmend schwieriger werdenden außenpolitischen Lage des Deutschen Reiches entwickelt von Schlieffen einen Plan, wie man einem möglichen Zweifronten-Krieg mit Russland im Osten und Frankreich im Westen begegnen könnte. Der 1905 vorgestellte Plan sieht vor, zunächst in einem schnellen Feldzug Frankreich zu besiegen, um die Streitkräfte dann gegen Russland einsetzen zu können.


Damit dies möglich ist, braucht man gut ausgebaute Eisenbahnlinien. Gut ausgebaut heißt damals: zweigleisig, wenig Steigung und großzügige Radien, um ganze Militärzüge (rund 500 m lang) fahren zu können.


In der Folge entsteht in der Eifel ein Eisenbahnnetz, das kaum dichter hätte sein können. Der Bahnhof Ahrdorf wurde sogar zu einem kleinen Eisenbahnknotenpunkt. Er war Durchgangsbahnhof der Strecke Dümpelfeld - Ahrdorf - Hillesheim - Lissendorf - Jünkerath und Ausgangsbahnhof der Strecke Ahrdorf - Blankenheim (Wald). Beide Strecken sind oben im Plan eingezeichnet. Die Strecke Ahrdorf - Blankenheim (Wald) war lediglich eine eingleisige Ergänzungsstrecke, aber Dümpelfeld - Lissendorf gehörte zu dem strategischen Eisenbahnnetz, das im Rahmen des Schlieffenplans vor dem Ersten Weltkrieg entstanden ist. In dem Zusammenhang wurden nicht nur neue Strecken gebaut, sondern auch bestehende Strecken erweitert und militärisch optimal nutzbar gemacht, zum Beispiel durch die Anlage eines zweiten Gleises.


Nach nur gut dreijähriger Bauzeit, die noch durch das Ahrhochwasser vom 13. Juni 1910 beeinträchtigt wurden, können am 1. Juli 1912 folgende Strecken dem Verkehr übergeben werden:


  • der zweigleisig ausgebaute Streckenabschnitt der Ahrtalbahn von Remagen bis Dümpelfeld. Dabei wird der Dümpelfelder Bahnhof neu gebaut und ein  Gleisdreieck angelegt, damit die Züge von allen Richtungen in alle Richtungen fahren können, ohne die Lokomotive umsetzen zu müssen,
  • die zweigleisige Neubaustrecke von Dümpelfeld über Ahrdorf - Hillesheim - Lissendorf nach Jünkerath,
  • die zweigleisige Neubaustrecke von Jünkerath nach Weywertz mit Anschluss an die Vennbahn,
  • die zweigleisige Verbindungsbahn von Hillesheim nach Gerolstein.


Die bestehenden Bahnhöfe Jünkerath und Gerolstein werden in dem Zusammenhang massiv ausgebaut. Die Strecke Ahrdorf - Blankenheim (Wald) wird am 1. Mai 1913 dem Verkehr übergeben.